Von Kerstin am Montag, den 29. Oktober, 2001 - 10:57: Edit

 

 

Hallo, Andrea, Ilka, JJ und Melanie!

 

Ilka, natürlich darfst Du hier Deine Meinung und Erfahrungen sagen! Aber ehrlichgesagt finde ich es auch

ziemlich krass, Babies, die vielleicht gerade mal anfangen, auf die Muttermilch nicht mehr mit Blähungen zu

reagieren, Nüsse, Zucker und Fleisch zu geben. Dafür ist der Darm in den allerallermeisten Fällen einfach noch

nicht reif, ob mit oder ohne Allergiebereitschaft. Geschweige denn Kakao, der ein körperaustrocknendes

Genussgift ist. Das ist meine Meinung als Mutter und als Logopädin kann ich dazu auch noch etwas sagen:

 

Von der Hirnreifung her hängen die Entwicklung der Mundmotorik und der Grobmotorik miteinander zusammen.

Die Fähigkeit, grobe Speisen mit dem Mund zu zerkleinern und zu schlucken, sprich die Kaubewegung kommt in

der normalen Entwicklung parallel zu der Fähigkeit, den Oberkörper rotierend zu bewegen, also zum Drehen.

Feste Speisen sollten folglich erst gegeben werden, wenn das Baby in der Lage ist, sich zu drehen, noch

besser erst, wenn es sich von alleine aus der Bauchlage in die Sitzposition bringen kann. Vorher riskiert man,

daß sich das Kind an den nicht zureichend zerkleinerten Krümeln verschluckt. Ein drei Monate altes Baby sollte

übrigens noch nicht einmal mit dem Löffel Brei bekommen, da auch dann das Hirn noch nicht so weit ausgereift

ist, daß die Mundmotoriik ohne die vorherige Saugbewegung ein Schlucken herbeiführen kann, es wird eher

gewürgt. Das Gehirn bekommt dann im Gegenzug sozusagen falsche Informationen aus dem Mund geliefert und

kann wiederum nicht regelrecht reifen. Wer sein Baby zu früh mit dem Löffel füttert oder ihm feste Speisen

gibt, riskiert aus logopädischer Sicht eine Hirnfehlreifung und eine Zungenfehlfunktion und damit

zusammenhängend Schluckprobleme, Zahnfehlstellungen und Sprechprobleme.

 

Fazit: Gemach, gemach.

 

Nichts für Ungut und Andrea, ich hoffe, Du kannst mit meiner Ausführung etwas anfangen.

 

LG, Kerstin

 

 

 

Von Kerstin am Freitag, den 09. November, 2001 - 16:21: Edit

 

 

Hallo, Anke!

 

Leider gibt es im Hinblick auf solche "logopädischen Erkenntnisse" meines Wissens keine Literatur, die ein Laie

interessieren oder verstehen könnte. (Ist alles zu fachspezifisch, wenn überhaupt etwas publiziert wurde.)

Aber das A und O und der Grundstein an der kindlichen Entwicklung ist in jeder Hinsicht die frühkindliche

Bewegungsentwicklung, auch für die Feinmotorik, das Denken, Konzentration und Aufmerksamkeit, etc.. Dabei

sind Qualität und die richtige Reihenfolge wichtiger für die Hirnreifung als der frühe oder normgerechte

Zeitpunkt.

Gesunde Kinder entwickeln ihre motorischen Fähigkeiten aus sich selbst heraus und tun zum richtigen

Zeitpunkt das für sie Richtige. Deshalb ist es wichtig, sie nicht anzutreiben oder sie in Lagepositionen zu

bringen, die sie noch nicht von selbst einnehmen können, z.B. Babies hinzusetzen bevor sie sich von selbst

aufsetzen können oder sie auf die Füße zu stellen, bevor sie sich selbst hinstellen. Vom orthopädischen

Standpunkt aus könnten sie schon früher sitzen oder stehen, aber die Hirnreifung ist noch nicht so weit

entwickelt, daß sie in dieser Position ihre Körperwahrnehmungen einordnen könnten. (Stichwort sensorische

Integration)

Die Entwicklung der anderen motorischen Fähigkeiten entwickelt sich parallel.

Es ist also ziemlich vage, an der statistischen Norm festzumachen, wann ein Kind etwas können oder noch

nicht können muss. Ein Kind auf den Popo zu setzen, bevor es sich drehen kann, um es mit ihm zu "üben"

bekommt dem Baby nicht sehr gut. Ich krieg jedesmal die Krise, wenn Mütter erzählen, der Kinderarzt hätte

ihnen bei der U5 gesagt, sie könnten ihr Kind jetzt ruhig hinsetzen, obwohl es bei diesem Kind vielleicht erst mit

10 oder 11 Monaten der Fall ist. Am allerschlimmsten finde ich aber noch die Babyhopser und Gehfreis, die den

Kindern überhaupt keine verwertbaren Informationen für die regelrechte Hirnreifung liefern. Zum Glück

vertragen viele Kinder diese "Fehlinformationen", ohne dabei sichtbare Schäden in der Entwicklung zu zeigen,

andere aber können die Fehler nicht so leicht ausgleichen. Für sie sind diese Geräte regelrecht schädlich.

Wenn mehr Kinderärzte diese Kenntnisse hätten und prohylaktisch beratend tätig wären, könnten sich die

Krankenkassen so manche physiotherapeutische, ergotherapeutische und logopädische Behandlung sparen.

Mit der Mundmotorik ist es ähnlich und oft zeigen einem die Babies von sich aus, wann was dran ist. Die

Aussage "Ein vier Monate altes Baby kann mit dem Löffel zugefüttert werden" ist Unsinn. Richtig gut machen

es die meisten erst viel später, ca mit 7-8 Monaten sind sie dann richtig in der Lage, Brei vom Löffel

abzunehmen und in der korrekten Bewegungsabfolge runterzuschlucken. Bei manchen Kindern, die von

vorneherein eine Hirnreifungsproblematik haben, kann das wie gesagt zu Schluckstörungen führen. Was da für

ein Rattenschwanz an Problemen noch dranhängen kann, ist nicht abzusehen .(Zahnfehlstellungen,

kieferorthopädische Behandlung, Artikulationsstörungen...)

 

Es gibt eben für alles einen richtigen Zeitpunkt. Und der ist meistens eher später als früher. Mit später kann

man jedenfalls nichts falsch machen.

 

Als Literatur kann ich empfehlen:

 

Emmi Pikler: Friedliche Babys - Zufriedene Mütter

Herder Verlag

 

Emmi Pikler: Laßt mir Zeit Pflaum-Verlag (sehr spezifisch)

 

Chantal de Truchis: Wie Ihr Baby Vertrauen gewinnt - zu sich selbst und in die Welt, Herder Verlag

 

Wie gesagt gibts in logopädischer Hinsicht nichts, was ich Müttern empfehlen könnte. Da habe ich aber schon

alles Wichtige gesagt.

 

Alles Gute, Kerstin.